„55 Jahre schon, kann denn das sein?“ Elvira Ott war baff, als sie vor kurzem feierlich die Urkunde über ihre 55-jährige ununterbrochene Vereins-Mitgliedschaft erhielt.
„In den 60er Jahren gab es wenig Abwechslung. Mein Mann war als Lokführer viel weg und ich allein mit den Kindern. Da lockte der Frauenchor. Gleich nach der ersten Probe war ich hell begeistert. Ging ich zum Singen, sah die Nachbarin nach den Kindern – und der Mittwochabend im Florapark gehörte mir. Dort wurde damals geprobt.“ So berichtet die Mahlowerin von ihrem Einstieg in den Frauenchor im Jahr 1967 unter „Chormeister“ Erwin Griesbach. Er schrieb die Noten zum Teil selbst und leitete neben drei Chören noch ein Akkordeonorchester. Aber er feierte auch gern mit seinen Frauen. Ein Foto von Elviras 50. Geburtstag im Jahr 1985 im großen Saal des Floraparks erinnert daran.
Elvira Ott arbeitete als Horterzieherin und später als Sekretärin bei der Interflug. Im Chor gefehlt hat sie nur wegen Urlaub oder Krankheit. Noch immer gilt, was 1975 die damalige Vorsitzende Hertha Stolle zu ihrem 40. Geburtstag sagte: „Du bist in deiner ruhigen, freundlichen Art bei allen Sangesschwestern beliebt. Aus diesem Grunde gehörst du auch zu den Vorstandsmitgliedern.“ Im Laufe ihres Chorlebens war Elvira Notenwartin, Schriftführerin und zwei Jahre lang 2. Vorsitzende. Da ihre Familie sie nur mit Chor kennt, findet sie es ganz logisch, dass eine ihrer Töchter und eine Enkelin inzwischen Fördermitglieder des Gesangsvereins sind und immer zur Stelle, wenn bei Veranstaltungen helfende Hände gebraucht werden.
Gern schwärmt die heute 87-Jährige von ihren Chor-Erlebnissen: „Wir sangen auf der Felsenbühne Rathen und in Tschechien, traten mehrmals bei der Grünen Woche in Berlin auf und auch beim Fest des Liedes auf Schloss Diedersdorf. 2010 trafen wir dort zufällig mit der Bundeskanzlerin, Frau Merkel, zusammen und sangen für sie aus dem Stand „O happy Day!“ Entzugserscheinungen hatte sie während der Corona-Zwangspause: „Der Chor fehlte mir. Man merkt, man gehört dazu, da zieht’s einen hin“, sagt sie, „meine Familie und der Chor – das ist mein Leben.“
Für das bevorstehende Herbstkonzert „Alles nur Theater“ am 11. September 2022 im Vereinshaus Mahlow probt sie trotz Augusthitze fleißig an jedem Mittwoch auf ihrem Platz im 2. Sopran. Aber unsere dienstälteste Sängerin möchte beim Auftritt erstmals nicht auf der Bühne stehen, sondern im Publikum sitzen. Damit sie einmal den vollen Klang der „Barkarole“ und der anderen drei- und vierstimmigen Lieder erleben kann. Dieser kleine Wunsch ist erfüllbar. Denn der aktuell 46-köpfige Frauenchor kann fast jeden Monat eine neue Sängerin begrüßen.
Erika Hundro